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Verkehrsministerium lässt Region im Stich: Hoffnung auf Gesamtlärmbetrachtung/Modellregion platzt wie eine Seifenblase

Pressemitteilungen

24.06.2021

(Foto: studio kohlmer berlin)

In den vergangenen Tagen wurde eine neue Initiative von Landrat Sager und den Bürgermeister*innen der Kommunen entlang der Hinterlandanbindung der Festen Fehmarn-Beltquerung bekannt, mit der der Kreis Ostholstein die „Gesamtlärmbetrachtung“ für zusätzlichen Lärmschutz voranbringen möchte, oder alternativ einen „Modellversuch zur Gesamtlärmbetrachtung“ für Ostholstein ermöglichen soll – eine Idee, die im Herbst 2020 von Verkehrsminister Bernd Buchholz aus Kiel vorgeschlagen worden war. Bettina Hagedorn, SPD-Bundestagsabgeordnete für Ostholstein, war in diesem Zusammenhang von Landrat Sager angeschrieben worden mit der Bitte, diesen Appell an den Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann zu unterstützen. Jetzt antwortete sie ihm, dass diese Initiative leider komplett „verpuffen“ werde, weil beiden Alternativen leider sowohl die gesetzliche wie die finanzielle Grundlage fehlen würde – worauf sie im Übrigen bereits am 2. Juli 2020 mit ihrer Protokollerklärung zum Bundestagsbeschluss für übergesetzlichen Lärmschutz an der Hinterlandanbindung ausdrücklich hingewiesen hatte:

„Seit dem 12. März 2018 steht im Koalitionsvertrag der GroKo (Zitat S. 120): „Wir werden die Bürger frühzeitiger bei Verkehrsprojekten beteiligen und eine Gesamtlärmbetrachtung einführen.“ Seit über drei Jahren hat CSU-Verkehrsminister Scheuer dieses Versprechen nicht eingelöst. Er hätte einen entsprechenden Gesetzentwurf bis spätestens März/April 2021 ins Kabinett einbringen müssen, damit das Parlament dieses Gesetz für zusätzlichen Lärmschutz noch in dieser Wahlperiode hätte beschließen können. Aber: Fehlanzeige! Diese Woche ist in Berlin die letzte (!) parlamentarische Sitzungswoche der laufenden Legislaturperiode.  Deswegen wird jetzt beim Planfeststellungsverfahren der Hinterlandanbindung in Ostholstein auch keine Gesamtlärmbetrachtung - also die Addition aus Lärm von der Autobahn A1 und der Gütertrasse - angewandt und über 100 Mio. Euro zusätzlich (nach Zahlen der DB) werden NICHT für ergänzende Lärmschutzmaßnahmen investiert. Mit dem Bundestagsbeschluss vom 2. Juli 2020 waren sogar 50 Mio. Euro, die das Dialogforum für Maßnahmen zur Gesamtlärmbetrachtung gefordert hatte, ersatzlos gestrichen worden. Fazit: Jetzt zeigt sich leider, wie unzureichend dieser Bundestagsbeschluss tatsächlich war.“ 

Im Bundestagsbeschluss vom 2. Juli 2020 zum übergesetzlichen Lärmschutz an der Hinterlandanbindung war klar gestellt, dass dieses (angeblich ‚zeitnah‘) noch zu verabschiedende Gesetz dann Anwendung bei der Hinterlandanbindung finden werde, wenn es in Kraft träte BEVOR der Planfeststellungbeschluss erfolge.

Hagedorn: „Mit meiner persönlichen Protokollerklärung zum Bundestagsbeschluss am 02. Juli 2020 schrieb ich damals: „Dieser Satz hätte schon damals in der Region Misstrauen auslösen sollen, denn es ist das gleiche Verkehrsministerium, dass einerseits seit Jahren eine Gesamtlärmbetrachtung nicht gesetzlich regelt und das anderseits einen Planfeststellungsbeschluss für die Hinterlandanbindung der TEN-Güterschwerverkehrstrasse zwischen Lübeck und Puttgarden – völlig ohne zeitliche Not – forciert, um dann gegebenenfalls auf genau dieser Trasse eine Gesamtlärmbetrachtung nicht durchführen zu müssen.“ Am Ende ist also genau das eingetreten, was sich niemand wünschen konnte: Die Region erhält 50 Mio. Euro weniger (!), als im Dialogforum einstimmig beschlossen worden war.“

Des weiteren schlägt Landrat Sager in seinem Schreiben an den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann vor, Ostholstein als Modellregion für Gesamtlärmbetrachtung einzustufen, um Maßnahmen - beziffert von der DB AG auf ca. 105 Mio. Euro -  umzusetzen, die an der Schienenstrecke zu einer effektiven Reduzierung der Gesamtlärmbelastung führen sollen. Dieser Vorschlag stammt eigentlich aus dem Herbst 2020 von Verkehrsminister Bernd Buchholz aus Kiel und wurde von ihm allerdings in den letzten neun Monaten über den Bundesrat nicht vorangetrieben. Bettina Hagedorn weiter:

„Auch dieser Vorschlag ist leider eine absolute ‚Nebelkerze‘, dem keinerlei konkrete Taten gefolgt sind! Bis heute hat FDP-Verkehrsminister Bernd Buchholz beispielsweise keine Bundesratsinitiative für Modellregionen zur Gesamtlärmbetrachtung gestartet bzw. dieses Thema überhaupt auf die Agenda von Bund oder Land gesetzt. Der CSU-Verkehrsminister Scheuer hat weder im Bundeshaushalt 2021 noch zur Haushaltsaufstellung 2022 Mittel für Modellregionen für Gesamtlärmbetrachtung angemeldet, geschweige denn überhaupt thematisiert! Und klar ist auch: ohne Geld im Budget ist keine Finanzierung von Modellregionen möglich. Ich finde es beschämend, in der Region mit derart ‚unausgegorenen‘ Vorschlägen Hoffnungen zu wecken, die dann definitiv nicht eingehalten werden können! Das ist unseriös. Das Land sollte lieber einmal selbst die Region beim Lärmschutz mit eigenen Mitteln finanziell unterstützen, anstatt nur Vorschläge auf dem Niveau von PR-Gags zu machen. Schon am 2.Juli 2020 schrieb in meiner Protokollerklärung im Bundestag: „Darum ist klar: Dieser Beschluss des Bundestages wird die Region nicht befrieden und langwierige Klageverfahren provozieren, die zu vermeiden es eine Chance gegeben hätte. Das Ziel des TEN-Trassen-Beschlusses, Bürgerbeteiligung anzuerkennen, für Akzeptanz bei den betroffenen Menschen in der Region zu sorgen und durch übergesetzliche Lärmschutzinvestitionen einen Gesundheits- und Tourismusstandort mit hoher ökologischer Qualität zu schonen und so Gerichtsverfahren möglichst zu vermeiden, wird damit leider klar verfehlt.´“
    
Zum Hintergrund:
Zum Bundestagsbeschluss zum übergesetzlichen Lärmschutz an der Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbeltquerung am 02. Juli 2020 hat Bettina Hagedorn eine persönliche Protokollerklärung abgegeben, in der sie schon damals Stellung zur fehlenden Gesamtlärmbetrachtung (Zif.4)  bezogen hat. Diese finden sie hier.