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Gläserne Abgeordnete

Am 27. Juni 2013 haben wir im Bundestag über einen SPD-Antrag zur Offenlegung von allen Einnahmen und damit zur Bekämpfung von Korruption und Abgeordnetenbestechung abgestimmt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung - mit vielen einflussreichen Lobbyisten der Großkonzerne auf "Du" - hat geschlossen gegen unseren Antrag gestimmt.

Als eine von wenigen gläsernen Abgeordneten schaffe ich Transparenz und veröffentliche seit 2003 meine Steuerbescheide. Es mir ein Bedürfnis zu diesem Thema Stellung zu nehmen und richtige Zahlen zu präsentieren, denn in den Medien wurde auch viel Falsches berichtet. Gemeinsam mit meinen KollegInnen aus der SPD-Bundestagsfraktion setze ich mich dafür ein, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages nicht nur ihre Diäten sondern auch Einnahmen aus anderen Tätigkeiten offenlegen müssen. Deshalb im Folgenden alle Details: 

2019 nach Erhalt des Steuerbescheids im Einzelnen: Pressemitteilung August 2020
Meine steuerlich wirksamen Einnahmen und Ausgaben veränderten sich 2018 gravierend, da ich durch meine Berufung als Parlamentarische Staatssekretärin von Finanzminister Olaf Scholz jetzt zwei Arten von Einkünften erhalte: Ich erhielt als Bundestagsabgeordnete im gesamten Jahr 2019 "nur" noch eine reduzierte Brutto-Diät von 74.241,51 Euro (gegenüber 112.903,56 Euro 2017) und zusätzlich ein Brutto-Einkommen als Parlamentarische Staatssekretärin von 147.399,59 Euro. Auf das insgesamte Bruttoeinkommen von insgesamt 224.074 Euro habe ich 80.538 Euro Einkommenssteuer und 4.429,59 Euro Solidaritätszuschlag gezahlt und 11.740,03 Euro Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet - wovon allerdings 4.941,48 Euro vom Bundestag zugezahlt wurden, sodass nur 6.798,55 Euro für mich effektiv verblieben. Berücksichtigt man diese Abzüge, dann verblieben 132.307,86 Euro oder 11.025,65 Euro netto monatlich.

Allerdings haben SPD-Abgeordnete weitere finanzielle Verpflichtungen, insbesondere zur Unterstützung der Partei. Verschiedene SPD-Gliederungen erhielten von mir 2019 Beiträge und Spenden in Höhe von 15.061,08 Euro, von denen natürlich nur 1.650 Euro steuerlich absetzbar waren. In der SPD ist es üblich, dass Abgeordnete jedes Jahr – insbesondere vorsorglich zur Finanzierung des nächsten Wahlkampfes – monatlich größere Summen an SPD-Gliederungen spenden, woraus quasi ‚Rücklagen‘ gebildet werden. So machen wir uns als Partei im Wahlkampf von privaten Spendern gerade aus der Wirtschaft unabhängig. Darüber hinaus habe ich 2019 1.675 Euro an gemeinnützige Vereine und Organisationen gespendet und unterstütze allein mehr als 20 Vereine und Verbände in der Region durch meine Mitgliedschaft. Berücksichtigt man auch diese Ausgaben, dann blieben 2019 effektiv 9.770,56 Euro monatlich verfügbar.

Kostenpauschale: Hinzu kommt für jeden Abgeordneten eine steuerfreie Kostenpauschale von 4.339,97 €/mtl. Die Kostenpauschale dient dazu, Ausgaben, die für die Arbeit als Bundestagsabgeordnete entstehen, pauschal abzudecken. Dazu zählen:

  • Miete, Nebenkosten, Einrichtung, Ausstattung und Bürobedarf des Wahlkreisbüros, Telefon dort und Zuhause, Kopierkosten im Wahlkreisbüro, Zeitungsabos, Homepagekosten, Portokosten für die Büros in Berlin und Eutin,
  • Veranstaltungen im Wahlkreis (von der Saalmiete bis zum Plakat oder Referentenhonorar) oder Geschenke, die von mir als Abgeordnete bei diversen Anlässen erwartet werden, Kosten für Beiträge für politische Arbeit (Druckkosten Landesgruppen-Newsletter, Broschüren, etc.)
  • Werbemittel (z.B. die 3.500 Brotdosen, die ich seit 2004 und den Ortsvereinen für Veranstaltungen mit Schulkindern oder in Kindergärten zur Verfügung gestellt habe oder die über 32.500 Volks-, Kinder- und Weihnachtsliederhefte die ich seit 2005 überwiegend in Altenpflegeheimen und bei Seniorenveranstaltungen der Wohlfahrtsverbände verteilt habe)
  • Benzin für Dienstfahrten (im Durchschnitt fahre ich pro Jahr ca. 21.000 km im Wahlkreis),
  • die wöchentlichen Taxifahrten zum und vom Bahnhof Eutin nach Hause (jährlich ca. 1000 €).
  • Miete, Nebenkosten, Zweitwohnsteuer und Einrichtung für die Berliner Zweitwohnung.

Logischerweise ist mit dieser Aufwandspauschale verknüpft, dass Abgeordnete darum nichts (außer private Spenden) von der Steuer absetzen können. Sie können keine Werbungskosten geltend machen!

Pensionsansprüche nach altem Recht (gültig bis Ende 2007): Ein Thema, das stets für Unmut sorgt, aber auch oft falsch wieder gegeben wird, sind die Pensionsansprüche der Politiker. Die Regelung bis einschließlich 2007 sah folgendes vor: Erst nach achtjähriger Zugehörigkeit zum Bundestag entsteht der Anspruch auf Alterspension, die ab dem gesetzlichen Renteneintrittsalter gezahlt wird und noch 24% der Bezüge der aktiven Abgeordneten, also 1.682 €/mtl. umfasst. Eine bereits im Jahr 2004 beschlossene Absenkung von 24% auf 22% (1.542 €/mtl.) trat erst mit der darauffolgend nächsten Diätenerhöhung zum 1. Januar 2008 in Kraft. Die Diäten waren seit 2003 nicht erhöht worden und somit konnte die bereits beschlossene Absenkung nicht vollzogen werden. Wer also nach einer Legislaturperiode nicht wieder gewählt (oder z.B. krank) wurde, musste rückwirkend die entsprechenden Rentenbeiträge bezahlen und dazu von seinen Diäten eine entsprechend hohe Rücklage bilden. Er bekam keine Pension. Ab dem neunten Jahr Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag erhöhte sich der Anspruch um jährlich 3 %, wobei der Höchstsatz von 4837 € Alterspension erst nach 23-jähriger Zugehörigkeit zum Bundestag in Anspruch genommen werden konnte – eine so lange Zugehörigkeit zum Bundestag ist aber die Ausnahme und erfordert immerhin eine 5fache Wiederwahl durch die Bürgerinnen und Bürger. Die Altersentschädigung ist voll zu versteuern und andere Bezüge aus öffentlichen Kassen wie auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden auf sie angerechnet.

Pensionsansprüche nach neuem Recht (ab 2008) Zum ersten Januar 2008 sind die Abgeordnetenbezüge um 330 Euro auf 7.339 Euro und zum ersten Januar 2009 um 329 Euro auf 7.669 Euro gestiegen. Da die Diäten seit 2003 nicht mehr erhöht wurden, ist dies eine Angleichung an das steigende durchschnittliche Erwerbseinkommen. Ich habe gegen die Diätenreform gestimmt. Das Eintrittsalter für die Altersentschädigung ist seit dem 1. Januar 2008 - wie auch in der gesetzlichen Rentenversicherung - stufenweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr erhöht worden. Der Berechnungssatz der Altersentschädigung pro Jahr der Mitgliedschaft im Bundestag wurde weiter, allerdings nicht weit genug, gesenkt auf nun 2,5%. Der Höchstsatz der Altersentschädigung von nunmehr 67,5% der Abgeordnetenentschädigung wird damit künftig erst nach 27 Mandatsjahren erreicht. 

Übergangsgeld: Bundestagsabgeordnete erhalten für jedes volle Jahr, das sie im Bundestag tätig waren, einen Monat als Überbrückungsgeld volle Bezüge als Chance zur Wiedereingliederung in einen Beruf. Im Höchstfall können das 18 Monate sein (wenn man 18 Jahre ohne Unterbrechung dem Bundestag angehört hat – das schaffen natürlich nur wenige Abgeordnete!)

Konkret und ganz persönlich: Wenn ich mit 53 Jahren nach siebenjähriger Zugehörigkeit zum Bundestag wie 50 meiner Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion unerwartet ausgeschieden wäre, hätte ich sieben Monate lang Überbrückungsgeld und 1.683 Euro Pension … ab dem 65. Lebensjahr erhalten. Die 12 Jahre bis dahin hätte ich mich auf dem ohnehin schwierigen Arbeitsmarkt in relativ hohem Alter wieder einfügen müssen. Wie gut, dass ich als gelernte Goldschmiedin hoffentlich immer irgendwie meine Brötchen werde verdienen und mein Alter eigenständig werde absichern können! Aber mein Wunsch bleibt natürlich, dass ich noch lange politisch arbeiten kann und mich die Menschen weiterhin mit Ihrem Vertrauen dabei unterstützen. Warum ich das hier einmal alles ganz „frank und frei“ offen gelegt habe? Weil ich immer wieder feststelle, dass viele Bürgerinnen und Bürger glauben, die Ausstattung von Abgeordneten sei noch viel luxuriöser. Ich möchte nicht missverstanden werden: Ich persönlich habe noch nie so viel Geld verdient wie als Abgeordnete und bin mir dessen auch sehr bewusst – schließlich habe ich 20 Jahre meine 5köpfige (Arbeiter-)familie von 3.000 DM netto im Monat satt gemacht und meine drei Söhne arbeiten als Tischler-, Maschinenbaumechaniker- und Bootsbauergesellen zu den Bedingungen, die heute der Arbeitsmarkt bereit hält. Sie beneiden mich trotzdem nicht: Trotz Überstunden kommen sie nicht auf meine 60 – 80-Stunden-Woche und sie kennen die Schattenseite der Arbeit in der Politik nur zu genau!