25 Jahre Mauerfall in Berlin
Mein Tagebuch: 7. bis 9. November 2014 in Berlin „25 Jahre Mauerfall“
(alle Fotos: privat)
Anlässlich des 25. Mauerfall-Jubiläums hat der Bundestag bereits am 7. November diesem historischen Ereignis gedacht. Vor allem die Rede meiner SPD-Kollegin Iris Gleicke, Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, hat uns alle so tief berührt, dass jeder sie hier mitverfolgen kann.
„Dank“ Bahnstreik beschloss ich spontan, das historisch so bedeutsame Wochenende 8./9. November 2014 zwischen zwei Bundestagssitzungswochen in Berlin zu verbringen. Wenn ich von meinem Bundestagsbüro – seit über 12 Jahren im Paul-Löbe-Haus - zur Parlamentsbibliothek gehe, überquere ich die Spree und damit den ehemaligen Grenzverlauf. Schon am Freitagabend leuchteten hier tausende der Luftballons, die symbolträchtig den Mauerverlauf auf insgesamt 15 Kilometern nachzeichneten und am Sonntagabend spektakulär in den Abendhimmel steigen sollten. Eine Aktion, die an diesem Wochenende nach 25 Jahren Mauerfall ca. 1 Million Menschen – Berliner ebenso wie Gäste aus aller Welt – in ihren Bann zog.
Gemeinsam mit meiner ehemaligen Berliner SPD-Bundestagskollegin Petra Merkel, stimmte ich mich schon am Samstagabend mit der grandiosen Aufführung von Beethovens Oper ‚Fidelio‘ – mit dem Berliner Oratorien-Chor - in der Heilandskirche Moabit auf das große Jubiläum ein. Beethoven greift in diesem Werk politische Veränderungen und den Kampf um die persönliche Freiheit auf. Der großartige Schlussakt dieser Oper bildete auch am nächsten Tag - beim offiziellen Festakt des Landes Berlin in der Konzerthalle am Gendarmen-Markt - den fulminanten Schlusspunkt, dargeboten von Beteiligten von sieben Berliner Orchestern und Chören mit Flash-Mob-Charakter.
(Alle Fotos: privat)
Als eine seiner letzten großen Auftritte als regierender Bürgermeister von Berlin eröffnete Klaus Wowereit mit den richtigen Schwerpunkten – aber ohne übertriebenes Pathos – diese würdevolle Gedenkveranstaltung mit großartigen Gästen:
Michael Gorbatschow, der mit ‚Gorbi‘ Rufen und stehenden Ovationen vom Publikum begrüßt wurde, Lech Wałeşa, ehemaliger Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarność und Staatspräsident Polens, Miklos Nemeth, ehemaliger Ministerpräsident von Ungarn, der im Sommer 1989 die Grenze nach Österreich – und damit den ‚Eisernen Vorhang‘ - als erster öffnete und nicht zuletzt Egon Bahr, der an der Seite Willy Brandts die Grundlage für den Mauerfall – die Ostverträge – verhandelt und ermöglicht hat. Sie alle haben mit ihrem Handeln dazu beigetragen, dass politische Freiheiten erkämpft, Grenzen geöffnet und Familien wieder zusammen finden konnten.
(Michael Gorbatschow)
(Lech Wałeşa)
(Miklos Nemeth)
Trotz der Anwesenheit von Bundespräsident Gauck und Bundeskanzlerin Merkel war es einem Sozialdemokraten vorbehalten, die große Festrede zu halten: Martin Schulz, soeben wiedergewählter Präsident des europäischen Parlamentes, setzte den Fall der Mauer in den gebotenen gesamteuropäischen Kontext: denn mit der Mauer in Berlin und Deutschland fiel auch der ‚Eiserne Vorhang‘ in ganz Europa, und das Ende des jahrzehntelangen ‚Kalten Krieges‘ wurde eingeläutet. Die aktuelle Mahnungen von Gorbatschow, dass ein neuer ‚Kalter Krieg‘ mindestens ‚vor der Tür stünde‘ waren – trotz aller Feierfreude – war dabei allen Gästen präsent.
Selbstverständlich waren auch viele Vertreter der damaligen Oppositionsbewegung der DDR ebenso wie Regime-Opfer und deren Angehörige als Gäste geladen und Zeitzeugen kamen zu Wort. Ihnen und allen anderen, die die Mauer friedlich zu Fall brachten, haben wir zu verdanken, dass wir wieder ‚ein Volk‘ sind.
(Daniel Hope begleitet das Orchester bei Vivaldis "Vier Jahreszeiten/Winter)
(Alle Fotos: privat)
Ganz Berlin war an diesem Wochenende fest in der Hand hunderttausender Gäste aus der ganzen Welt, die dieses besondere Welt-Ereignis zusammen mit den Berlinerinnen und Berlinern entlang des 15-Kilometer langen ehemaligen Mauerverlaufs begingen. Von der Bornholmer Straße bis zur Oberbaum-Brücke, von der Invalidenstraße bis zum Checkpoint-Charly – überall dichtes Gedränge.
(Jan Josef Liefers und Michail Gorbatschow am Brandenburger Tor)
Aber natürlich stand die Straße des 17. Juni und vor allem die Bühne vor dem Brandenburger Tor besonders im Mittelpunkt. Und mit einbrechender Dunkelheit stand auch ich dort – zunächst bewegt und berührt, teils staunend und am Ende fröhlich tanzend. Das Programm bei diesem Bürgerfest unter dem Motto „Mut zur Freiheit“ spiegelte wieder, wie vielfältig, tolerant und weltoffen Berlin 25 Jahre nach dem Mauerfall ist. Und immer wieder stand im Mittelpunkt aller Akteure: Ohne den Mut und die Entschlossenheit der Frauen und Männer in Ostdeutschland Ende der 80er Jahre wäre diese Freiheit für das vereinte Deutschland und für Europa nicht möglich gewesen! Sie verfolgten ergriffen, wie die leuchtenden Luftballons entlang der Mauer aufstiegen und unter Daniel Barenboims Leitung die ‚Ode an die Freude‘ erklang und das anschliessende Feuerwerk!
Und natürlich besang Udo Lindenberg den Sonderzug nach Pankow.
(Udo Lindenberg mit Clueso)
Paul Kalkbrenner brachte danach die müden Beine noch einmal zum Tanzen.
(Video: privat)
Es war ein bewegender und auch andächtiger Tag, der in einer fröhlicher Party endete und den niemand vergisst, der ‚live‘ dabei war!!!